Eupener Land  [GE 23.11.1999] 
Professoren zu Gast bei den Lions Clubs Eupen und St. Vith
Wichtige Anregungen für den Schritt ins dritte Jahrtausend
 

26 Professoren und Dozenten, die allesamt aus der Deutschsprachigen Gemeinschaft stammen, 
aber in aller Welt lehren, waren kürzlich zu Gast bei den Lions Clubs aus Eupen und St. Vith 


Im Rahmen dieses Aufenthaltes nahmen sie an einer Podiumsdiskussion zum Thema Ostbelgien und der Schritt ins 3. Jahrtausend teil. Dabei konnten sie den hiesigen Verantwortlichen wichtige Anregungen mit auf den Weg geben. In der ersten Runde der Diskussion im Ambassador Hotel Bosten diskutierten unter der Moderation von Lions-Mitglied Paul Maraite die Professoren Schröder (Medizin) und Janssen (Wirtschaftswissenschaften), beide UCL Neu-Löwen, Prof. J. Lengeler (Genetik), Universität Osnabrück, Prof. B. Lengeler (Physik), RWTH Aachen und Prof. Peters (Germanistik), FUNDP Namur.

Verbesserung nötig
Zum Thema der Zweisprachigkeit wurde in dieser Runde festgestellt, dass die Französischkenntnisse der Jugend zurückgingen und daher der Verbesserung bedürften. Darüber hinaus seien Englischkenntnisse ein Muss, denn Englisch sei die Lingua franca unserer Zeit. Zur Genetik wurde festgestellt, dass sie die Zukunft sei, denn das 20. Jahrhundert sei das Jahrhundert der Physik gewesen, und das 21. Jahrhundert würde das der Biologie. Der Ärzteschwemme stellten die Professoren die wachsenden Therapieansprüche der Bevölkerung gegenüber. Dabei werde die Zahl der Ärzte politisch gewollt weiter fallen: 1980 seien noch 1000 Mediziner pro Jahr ausgebildet worden, 1990 nur noch 500 und im Jahr 2000 nur noch 250. Auch dem Wissenschaftszweig der Philologie maßen die Hochschullehrer eine wachsende Bedeutung bei: Philologie sei heute nicht nur Sprachlehre, sondern Fachkenntnis der Kommunikation. So würden heute Philologen in vielen Bereichen zum Kommunikationsaufbau eingesetzt.

Euregio
Im Blick auf die Euregio forderten die Diskussionsteilnehmer, die heutige lose Kooperation zwischen Hasselt, Maastricht, Aachen und Lüttich zu verbessern. Die Ostbelgier könnten hierzu einen wichtigen Beitrag leisten, denn sie könnten aufgrund ihrer interkulturellen Kenntnisse die Flamen, Wallonen und Deutschen besser einschätzen. Dies sei der Bonus der Grenzregion. Auf die Ostkantone bezogen müsse außerdem die Selbsterwerbsquote verbessert werden, d.h. der Drang und die Dynamik, sich zu verselbstständigen müssten gesteigert werden.

Offenheit
Der Jugend unserer Region gaben die Professoren den Rat zu Flexibilität, Mobilität, Offenheit für Sprache und Kultur, Motivation, Fleiß, Ausdauer und zielbewusstes Arbeiten. In einer zweiten Diskussionsrunde kamen dann Minister-Präsident Karl-Heinz Lambertz in seiner Funktion als Dozent für deutsche Rechtsterminologie an der UCL, Prof. Schröder (Medizin), Klinikum Chemnitz, Dr. Schmeits (Physik), Ulg, Prof. Stadtmüller (Wirtschaftswissenschaften), RWTH Aachen und Prof. Palm (Wirtschaftswissenschaften), Universität Maastricht, zu Wort.

Lernen
In dieser Runde wurde zum Thema Ausbildung festgestellt, dass die Universität Maastricht ein besonderes Lernsystem in kleinen Gruppen zu bieten habe und daher einen beachtlichen Ausländeranteil von 25% aufweise. In Ostbelgien sei sie allerdings quasi unbekannt. Was das Schulsystem in der DG betrifft, stellten die Professoren fest, dass 2000 Lehrer in der DG nur ihr Klassenzimmer gesehen hätten und daher nicht wirklichkeitsnah unterrichteten. Sie seien Lehrer, die nicht mehr Erzieher seien, sondern nur ihren Job ausübten. Die praxisbezogene Lehrerausbildung müsse daher unterstützt werden. Man müsse auch wieder lernen zu lernen, um im Beruf fähig zu sein, immer neues Wissen zu erwerben und anzuwenden.

Virtuelle Universität
Professor Schröder stellte dabei auch die Frage, ob in Ostbelgien überhaupt genügend Arbeit vorhanden sei. Es existierten viele Pendler, womit die geringe Arbeitslosigkeit zu erklären sei. In zwei Anregungen forderten die Professoren zum einen, eine virtuelle Universität mit den Professoren der DG im Internet zu gründen, verbunden mit dem Aufbau eines Netzwerkes zur Fortbildung. Zum anderen heiße Ausbildung aber auch nicht nur studieren an einer Universität. Facharbeiter und Handwerker seien ebenso Berufe, die einen Menschen ausfüllen könnten.

Kolloquium
Beschlossen wurde der Diskussionsabend vor 270 Zuhörern vom Präsidenten des Eupener Lions Clubs Bernd Gentges mit der Aussicht, ein Kolloquium ins Leben zu rufen, in dem die aufgeworfenen Gedanken und Anregungen vertieft werden sollten. Beim anschließenden Empfang wurde noch fleißig weiter diskutiert und die Ergebnisse bewertet, und für einige endete so der Gedankenaustausch erst am frühen Morgen. N.T.