GE 30.04.01
Die Mehrsprachigkeit, ihre Chancen und ihre Probleme
Eupen. - Wie steht es in der Deutschsprachigen Gemeinschaft mit der Mehrsprachigkeit? Was vermitteln die Schulen und wo gibt es Diskrepanzen? Diese Fragen wurden am vergangenen Freitag bei einer Veranstaltung im Funkhaus des BRF leidenschaftlich diskutiert.
Eingeladen hatten die Service-Clubs Lions Eupen und Rotary Eupen-Malmedy. Gekommen waren vor allem Studenten, Lehrer, Schüler und Eltern. »Zwei Sprachen und mehr sind mehr als notwendig«, bemerkte der Präsident des Lions-Clubs Eupen, Roger Claes. Doch welche Sprachen sollen junge Menschen lernen? Wie lassen sich Fremdsprachen effizient vermitteln?
Hier und da ein bisschen Kritik am Unterricht der ostbelgischen Schule, die sie zum Abitur geführt hat, hatten die Studentinnen und Studenten schon. Einig waren sich die in Lüttich, Namur, Louvain, Brüssel und Aachen Studierenden nicht.
Wenn Fachunterricht in Französisch, dann bitte konsequent, also keine Fragen und keine Antworten auf Deutsch, meinten die einen. Verliert ein Mathegenie nicht die Lust am Mathematikunterricht, wenn der Unterricht in Französisch ist und der Schüler gar keine Begabung für Sprachen hat, fürchteten die anderen.
Einig waren sich die Studenten, dass die ersten Monate an einer Uni für den Abiturienten der Deutschsprachigen Gemeinschaft immer schwierig sind. Kein Problem, habe sie gedacht, als sie sich entschloss, in Aachen Medizin zu studieren, erzählte eine Studentin. Deutsch sei schließlich ihre Muttersprache. »Doch mir fehlten die deutschen Fachausdrücke in Biologie und Chemie«, erzählte sie. »Wäre ich nach Lüttich gegangen, wären mir meine mangelnden Allgemeinkenntnisse in Französisch aufgefallen.«
Mit hoch spezifischen technischen Ausdrücken hatte auch
die Abiturientin, die in Lüttich ihr Ingenieurstudium
begann, Schwierigkeiten. »Das erste Jahr war ein wenig
kompliziert«, stimmte ein Student aus Namur zu. Sein Rat an
Studienanfänger: Unbekannte Ausdrücke nicht im Diktionär
nachschlagen. Lieber Französisch sprechende Freunde suchen
und sie fragen.
Selbst etwas tun
»Nicht alles, was man im späteren Leben braucht, kann einem die Schule vermitteln«, so das Fazit der Studenten. Ein Teil Eigeninitiative gehöre zum Erfolg immer dazu. Sich während der Schulzeit Französisch sprechende Freunde suchen, raten sie, obwohl dies nicht immer einfach sei.
An Eupener Sekundarschulen gäbe es zwar viele Schüler
mit Französisch als Muttersprache, »doch die
deutschsprachigen und die französischsprachigen Schüler
trennen sich strikt in zwei Gruppen«, erinnert sich eine
Studentin. Selbst einen Austausch zu organisieren, öfter in
den französischsprachigen Raum des Landes zu fahren, im
Radio und Fernsehen entsprechende Sendungen auszuwählen -
»das dürfte in unserer Region doch kein Problem sein«,
meinten die Studenten.
Vorteile
Einig waren sich die Studenten über die Vorteile eines
Abiturs in der Deutschsprachigen Gemeinschaft. »Wenn es um
Fremdsprachen geht, können uns die wallonischen
Kommilitonen nicht das Wasser reichen«, so die Kommentare.
»Sie können weder Deutsch, noch Englisch oder Niederländisch.
Von dem, was wir in der Schule gelernt haben, können sie
nur träumen.«
Sprachengesetz
Bewundernd nahmen Eltern und Lehrer zur Kenntnis, mit welcher Leichtigkeit die anwesenden Studenten alle Sprachhürden genommen haben, ihr Studium in Französisch absolvieren, zwischendurch in Deutschland ein Berufspraktikum machen und später vielleicht in einem ganz anderen Land arbeiten wollen.
Was ist mit den weniger Begabten, fragten sie. Die
Erziehung zur Zweisprachigkeit müsse viel früher beginnen,
forderten Eltern und Lehrer. Bereits im Kindergarten müsse
Zweisprachigkeit zur Regel werden und zwar konsequent und
mit klaren Strukturen und Methoden. Das vor rund 40 Jahren
erlassene Sprachengesetz müsse neu überdacht werden. elb
Verlag Grenz-Echo AG - 30/04/2001 - Eupener Land - Seite 7